Gemeinderatssitzung per Livestream?

Ein bereits häufig diskutiertes Thema gewinnt gerade, auch für mich als aktives Gemeinderatsmitglied, an neuer Bedeutung: dürfen Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz und/oder als Live-Stream abgehalten werden? Im Saarland ist zwar nach der geltenden „Corona-Verordnung“ eine Teilnahme an dringend erforderlichen Ratssitzungen zulässig. Sinnvoll erscheint es in Zeiten der gebotenen Kontaktreduzierungen allerdings nicht, die Gemeinderatsmitglieder in meist schlecht belüfteten Sitzungssälen zu versammeln. Ganz abgesehen von den Bürgern, die als „Öffentlichkeit“ an der Ratssitzung teilnehmen möchten und damit die Versammlung noch vergrößern (oder wegen der Infektionsgefahr davon abgehalten werden, teilzunehmen).

Da jedoch im Moment noch nicht absehbar ist, wie lange aufgrund des Virus Versammlungen zu vermeiden sind, muss darüber nachgedacht werden, ob es nicht eine andere Form der Kommunikation gibt, um die Gemeinderatsarbeit zu ermöglichen. Es handelt sich um ein wichtiges Gremium – ein Ruhen der Aktivität über Monate hinweg ist der Demokratie nicht förderlich.

Denkbar wäre eine Zusammenkunft der Gemeinderatsmitglieder in einer Videokonferenz (alle Teilnehmer können sich gegenseitig sehen und hören). Ist das aber rechtlich überhaupt möglich?

Wie kann die Öffentlichkeit sichergestellt werden?

Die Sitzungen des Gemeinderates sind (bis auf bestimmte Beratungen) öffentlich – wie kann im Falle der Videokonferenz sichergestellt werden, dass die Bürger die Sitzung mitverfolgen und sich auch daran beteiligen können? Man könnte überlegen, die Videokonferenz live über das Internet zu streamen oder auch – wie bereits in manchen Gemeinden realisiert – die Videokonferenz in einen öffentlichen Raum der Gemeinde übertragen, in dem sich dann die Bürger versammeln können. Ob letzteres im Sinne des Infektionsschutzes ist, ist dann allerdings wiederum fraglich. Die Übertragung per Live-Stream liegt also derzeit näher.

Einwilligung der Sitzungsteilnehmer erforderlich

Wird nun aber die Ratssitzung über das Internet live übertragen, dann kann sie natürlich auch weltweit abgerufen werden. Hierzu wird bereits seit längerem die folgende Frage diskutiert: Stehen der Übertragung von Gemeinderatssitzungen per Internet der Persönlichkeitsrechtsschutz/Datenschutz der Ratsmitglieder und der Gemeindemitarbeiter entgegen?

Hierzu muss man wissen, dass die für die Ratssitzungen vorgeschriebene „Öffentlichkeit“ nicht zwingend die „Medienöffentlichkeit“ (also die Übertragung der Sitzungen in Bild und Ton) ist. „Öffentlich“ heißt nach überwiegender Meinung, dass Bürger sowie Medien-/Pressevertreter vor Ort anwesend sein dürfen (sogenannte Saalöffentlichkeit). Nicht gemeint sein soll, dass Sitzungen in Bild und Ton übertragen werden.

Gegen die Verbreitung von Bild- und Tonaufnahmen der Sitzungen wird angeführt, dass die ehrenamtlich tätigen Ratsmitglieder nicht presseerfahren seien und sich von der Tatsache, dass ihre Wortmeldungen einer breiten Öffentlichkeit oder – im Falle des Internets – sogar einer weltweiten Öffentlichkeit zugänglich sind, von ihren Beiträgen abhalten lassen könnten. Somit müssen die Ratsmitglieder die „Medienöffentlichkeit“ also auch nicht einfach so dulden.

Daher ist für Bild-/Tonaufnahmen und deren Übertragung eine Einwilligung jedes einzelnen Teilnehmers der Sitzung erforderlich.

Anders wäre es, wenn es eine ausdrückliche landesrechtliche Vorschrift gäbe, die Bild- und Tonaufnahmen zulässt. Wenn diese dann durch Satzung der Gemeinde konkretisiert würde, könnte eine Einwilligung jedes einzelnen Ratsmitglieds entfallen.

In Niedersachsen wurde beispielsweise den Weg über das Gesetz gewählt: Im dortigen Kommunalverfassungsgesetz wird ausdrücklich erlaubt, dass öffentliche Gemeinderatssitzungen zur Berichterstattung in Bild und Ton gesendet werden dürfen. Gleichzeitig wird allerdings den Abgeordneten das Recht eingeräumt, zu verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Veröffentlichung der Aufnahme unterbleibt.

Ein Blick in das saarländische Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) gibt aber Aufschluss darüber, dass es keine spezielle Regelung zu der Frage gibt, ob Gemeinderatssitzungen per Livestream abgehalten werden dürfen.

Praktische Umsetzung als Videokonferenz mit Live-Stream

Für die Übertragung einer Gemeinderats-Videokonferenz als Live-Stream bedeutet das in der praktischen Umsetzung:

Es ist bei einem Live-Stream technisch relativ unproblematisch, Wortbeiträge einzelner Teilnehmer stummzuschalten, auch im Bild müssten diese nicht zwingend erscheinen. Es ist also durchaus realisierbar, die Bilder/Beiträge der Teilnehmer, die nicht eingewilligt haben, nicht zu streamen. Die technische Umsetzung wäre übrigens gleich, wenn das Gesetz grundsätzlich die Übertragung erlaubt, aber einzelne Teilnehmer verlangen können, dass ihr Beitrag nicht gestreamt wird.

Auch das Problem, dass von anwesenden Bürgern keine Einwilligung eingeholt werden kann und diese daher aus den Aufnahmen herausgeschnitten werden müssten, fällt naturgemäß bei der Übertragung einer Video-Konferenz, an der nur die Ratsmitglieder teilnehmen weg. Fragen der Bürger könnten per Chat gestellt werden (wobei sich auch hier wieder die Frage stellt, ob erwartet werden kann, dass jeder Bürger über eine entsprechende technische Ausstattung verfügt).

Ausstattung, Datenschutz, Datensicherheit…

Will man eine Ratssitzung per Videokonferenz realisieren, so sind natürlich verschiedene andere Punkte zu berücksichtigen. So ist etwa zu klären, ob es tatsächlich jedem Gemeinderatsmitglied aufgrund der technischen Ausstattung möglich ist, an einer Videokonferenz teilzunehmen. Nicht zuletzt ist das verwendete Videokonferenzsystem auf Datenschutz und Datensicherheit hin zu prüfen. Außerdem müsste gesichert sein, dass bei den Punkten des nicht-öffentlichen Teils das jeweilige Gemeinderatsmitglied auch tatsächlich alleine an der Konferenz teilnimmt und nicht der Rest der Familie im Wohnzimmer mithört.

Fazit

Als Fazit lässt sich feststellen, dass eine Ratssitzung per Videokonferenz unter Beteiligung der Öffentlichkeit via Live-Stream derzeit nur mit Einwilligung der beteiligten Sitzungsteilnehmer zulässig ist. Eine Alternative wäre freilich, dass die Möglichkeit des Streamings der Gemeinderatskonferenz, jedenfalls für die Dauer der COVID19-bedingten Kontaktbeschränkungen in der Rechtsverordnung des Landes gestattet wird.

Autocomplete-Funktion und Persönlichkeitsrechtsverletzung – Urteil des BGH

Bettina Wulff klagte dagegen, auch Philipp Lahm zog vor Gericht: beide Namen wurden in der Autocomplete-Funktion, die Google bei Suchanfragen anbietet, jeweils mit Begriffen verknüpft, die von den beiden Betroffenen für persönlichkeitsrechtsverletzend gehalten wurden.

Am 14.05.2013 hat der Bundesgerichtshof (BGH) zum ersten Mal darüber entschieden, ob die Autocomplete-Funktion der Suchmaschine zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen führen kann.

Geklagt hatte ein Unternehmen, dessen Name in der Suchfunktion von Google mit den Begriffen „Scientology“ und „Betrug“ verknüpft worden war. Das Unternehmen berief sich darauf, dass es weder in Verbindung mit der Sekte stehe, noch dass ihm Betrug vorzuwerfen sei.

Der BGH ist der Ansicht, dass die Verknüpfung des Unternehmensnamens und der beiden negativ besetzten Begriffe eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein kann. Erstaunlich ist hier, dass der BGH alleine der Kombination der Begriffe schon einen „fassbaren Aussageinhalt“ zuschreibt.

Für diese Persönlichkeitsrechtsverletzung sei Google verantwortlich, da die Suchmaschinenbetreiber das Nutzerverhalten ausgewertet und daraufhin die Suchbegriffe angeboten haben.

Der Gerichtshof schränkt allerdings die Haftung der Suchmaschine gleichzeitig etwas ein: Google muss die Autocomplete-Funktion nicht komplett einstellen oder jede Wortkombination vorab prüfen. Erst nach Kenntnis einer angeblichen Rechtsverletzung – also normalerweise dann, wenn sich jemand beschwert- muss geprüft werden, ob tatsächlich eine Verletzung vorliegt. Ist dies leicht zu erkennen, muss die Rechtsverletzung gestoppt und für die Zukunft verhindert werden.

Ich halte den Ansatz des BGH nicht in allen Punkten für zutreffend. Sicherlich kann schon die Verknüpfung von Begriffen Meinungen beeinflussen. Allerdings trifft die Autocomplete-Funktion ja lediglich die Aussage, dass viele andere Nutzer der Suchmaschine nach der Kombination der Begriffe gesucht haben. Dies ist aber den Suchmaschinennutzern normalerweise auch bewusst. Dass in der Vervollständigungsfunktion schon ein „fassbarer Aussageinhalt“ liegen soll, sehe ich daher nicht.

Die Entscheidung des BGH ist meiner Ansicht nach auch nicht auf jeden Fall anwendbar. Beispielsweise ist bei Eingabe des Namens einer Person in die Google-Suche nicht immer klar, welche Person dieses Namens gesucht wird. Es kann ja durchaus gleichnamige Personen geben, auf die die verknüpften Begriffe tatsächlich zutreffen. So ist es denkbar, dass es eine Person namens „Bettina Wulff“ gibt, die tatsächlich für einen Escort-Service gearbeitet hat.

Zudem handelt es sich bei der Autocomplete-Funktion um ein dynamisches Instrument: eine Kombination von Begriffen kann zwar zu einem Zeitpunkt eine Rechtsverletzung darstellen – ändern sich jedoch die Tatsachen und besteht beispielsweise doch irgendwann eine Verbindung eines Unternehmens zu Scientology – so bleibt die Kombination der Begriffe allerdings gesperrt (es sei denn, die Suchmaschinenbetreiber recherchieren selber, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und die Begriffe wieder freizugeben sind – das bezweifle ich allerdings).