Am 30.08.2017 war der spannende Tag: nach zwei erfolglosen Instanzen vor dem Arbeitsgericht München und dem Bayerischen Landesarbeitsgericht wurde die Revision in einem ziemlich interessanten Fall vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt. Mein Mandant, der ehemalige Kommissar der Spurensicherung in der Serie „Der Alte“ hatte sich dagegen gewehrt, dass er die Produktion nach fast 29 Jahren mit einer Ankündigungszeit von zwei Monaten verlassen musste – die Rolle sei gestrichen worden.
Und – um es kurz vorweg zu nehmen – eine Sache darf nicht falsch verstanden werden: es ging in dem Verfahren nicht darum, Schauspielern einen unkündbaren beamtenähnlichen Status zu verschaffen. Letztlich wird man wohl annehmen können, dass bei Wegfall einer Rolle eine ordentliche Kündigung möglich sein kann. Es geht darum, dass nach 29 Jahren, in welchen vom Schauspieler stets absolute Loyalität zur Produktion erwartet wurde, es das Mindeste sein sollte, die Frist für eine ordentliche Kündigung einzuhalten. Entsprechende Fristen und Abfindungsregelungen sehen übrigens auch die Tarifverträge des ZDF vor.
Natürlich lagen der Klage vielfältige rechtliche Erwägungen zu Grunde: nicht ohne Grund stehen bei mir drei Ordner voll Material. Hier kurz das Wichtigste zusammengefasst: Die Serie „Der Alte“ wurde von einem Produktionsunternehmen im Auftrag des ZDF produziert. Das Produktionsunternehmen schloss mit meinem Mandanten im Laufe der 29 Jahre, die er in der Serie mitspielte, immer leicht unterschiedlich gestaltete Verträge. Häufig Rahmenverträge, die eine Verpflichtung für das ganze Jahr beinhalteten. Und immer Verträge, die so unzulässige Klauseln enthielten, wie: „Eine außerordentliche Kündigung ist im Falle einer über 6 Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit möglich“ – aber das nur so am Rande. Acht Folgen „Der Alte“ drehte mein Mandant im Jahr – das hört sich zunächst nicht so viel an, aber jeder Drehtag muss auch vorbereitet werden (z.B. muss der Text gelernt werden), der Mandant musste sich innerhalb der Drehzeiten auf Abruf bereit halten und auch nach den Drehtagen konnte er zu Nacharbeiten, wie z.B. Nachsynchronisationen herangezogen werden. In den neueren Verträgen wurde jeweils eine „Vertragszeit“ benannt, die aus den Drehtagen bestehen sollte. Aufgrund der Vor- und Nacharbeiten erstreckte sich der Vertrag aber eigentlich auch auf einen Zeitraum vor und nach den Drehtagen. Unterm Strich ist zu sagen, dass mein Mandant fast sein gesamtes Arbeitsleben beim „Alten“ verbrachte.
Und nun ein plötzliches „Aus“, weil nur befristete Verträge geschlossen worden sein sollen? Genau so sieht es das Bundesarbeitsgericht. Zum einen sei eine zeitliche Befristung wirksam vereinbart worden. Das mit dem letzten Drehtag der Vertrag eigentlich noch nicht zu Ende war, sei, so die Richter in Erfurt, kein Grund, die zeitliche Befristung als unwirksam anzusehen, weil Nacharbeiten ja nur in Abstimmung zwischen den Produktionsfirma und Schauspieler vorgenommen werden mussten. Dieses Argument überzeugt mich nicht, da die Schauspieler zur Verfügung stehen mussten – natürlich wurde mit Ihnen abgesprochen, an welchem Tag die Nacharbeiten erfolgen mussten – eine Absprache im Sinne einer freiwilligen Entscheidung ob die Leistungen erbracht werden lag aber nicht vor.
Das Bundesarbeitsgericht sieht also Befristungen als wirksam vereinbart an. Aber gibt es auch einen rechtfertigenden Sachgrund? Die Produktionsfirma, die nach eigenen Angaben nur die Vorgaben des ZDF umsetzte, ist nach Ansicht des Gerichts Trägerin des Grundrechts der Kunstfreiheit. Sie hatte sich darauf berufen, dass eine „Verjüngung“ der Besetzung der Serie stattfinden sollte. Es sei ein Innovationsinteresse gegeben, das es rechtfertige, jederzeit Rollen in der Serie zu streichen.
Das Gericht hat bei der Frage, ob ein Sachgrund für die Befristung des letzten geschlossenen Vertrages vorliege, eine Abwägung zwischen den „Bestandsschutzinteresse“ meines Mandanten und der Kunstfreiheit der Produktionsfirma vorgenommen. Es ist danach zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kunstfreiheit in Form des Innovationsinteresses überwiegt und daher eine Befristung wirksam war. Eine weitere Prüfung, etwa ob eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung über 29 Jahre mit mehr als 260 Verträgen vorlag, musste dann nicht mehr durchgeführt werden, so das Gericht.
Nun bin ich naturgemäß enttäuscht, das Verfahren für meinen Mandanten nicht gewonnen zu haben. Ich finde das Urteil aber tatsächlich auch nicht gelungen. Es entspricht der Realität, dass Schauspieler nach dem letzten Drehtag Nacharbeiten zu leisten haben. Diese können auch nicht einfach abgelehnt werden, sondern gehören zu den vertraglichen Pflichten. Dann kann man aber nicht davon ausgehen, dass die Angabe des letzten Drehtages eine wirksame Zeitbefristung darstellt. Der Vertrag läuft de facto ja noch länger. Für eine wirksame Zeitbefristung muss aber das konkrete Ende der Verpflichtung angegeben werden.
Meines Erachtens reicht außerdem der pauschale Vortrag, dass Rollen zur Verjüngung der Serie ausgetauscht werden, nicht aus, um sich auf die Kunstfreiheit zu berufen. So hat der EuGH in seinem Urteil vom 26.03.2015, C-238/14 betont, dass eine pauschale Rechtfertigung einer Vielzahl von befristeten Verträgen durch die Kunstfreiheit nicht zugelassen werden kann; es müsse vielmehr substantiiert und nachprüfbar vorgetragen werden, inwiefern von der Kunstfreiheit tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist. Daran fehlte es in dem „Der Alte“-Verfahren meiner Meinung nach komplett.
Die Entscheidung des BAG ist ein schlechtes Signal für alle Schauspieler: letztlich wird ein Freibrief gegeben, Verträge auf ein Minimum an arbeitsrechtlichem Schutz zu reduzieren. Es läuft darauf hinaus, dass Schauspieler als eine Art Arbeitnehmer zweiter Klasse eingestuft werden: sie sind zwar Arbeitnehmer, aber jeglicher Schutz, der gesetzlich vorgesehen ist, wird durch die Berufung auf die Kunstfreiheit ausgehebelt.
Die Urteilsbegründung liegt noch nicht schriftlich vor – sobald ich sie habe, gebe ich natürlich noch weitere Kommentare dazu.