Seit ein paar Tagen gibt es einen neuen Zweig der Abmahnindustrie: die Abmahnungen durch die U+C Rechtsanwälte von Anschlussinhabern, über deren Internetzugang (Porno-)Filme auf der Plattform redtube.com im Wege des Streaming angesehen worden sein sollen. Bereits die Tatsache, dass die Abmahnungen sich auf Pornofilme beziehen, wird dazu führen, dass der ein oder andere aus Scham schnell die geforderten 250,00 € bezahlt, um sich etwa nicht mir der Familie darüber auseinandersetzen zu müssen, dass Pornofilme angesehen wurden.
„Streaming“ meint, dass eine Datei nicht dauerhaft auf den Computer heruntergeladen wird, sondern sich der Nutzer den Inhalt lediglich im Internet „ansieht“. Dabei wird jedoch trotzdem eine Vervielfältigung im Arbeitsspeicher des Computers erstellt.
Was ist dran an den Vorwürfen der Urheberrechtsverletzung?
Filmen genießen immer Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz – entweder als Filmwerk oder als „Laufbild“. Wer urheberrechtlich geschützte Filme kopieren möchte, braucht die Einwilligung des Urhebers oder des Inhabers der urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Beim Streaming wird die angesehene Datei jedenfalls in den Arbeitsspeicher des Computers kopiert, also benötigt man theoretisch solche eine Einwilligung.
Hier gibt es aber eine Ausnahme: Eine Einwilligung des Rechteinhabers zur Speicherung im Arbeitsspeicher, also einer vorübergehenden Vervielfältigungshandlung, muss dann nicht eingeholt werden, wenn es sich um eine rechtmäßige Nutzung handelt. Wenn der Rechteinhaber aber nicht wollte, dass sein Film über eine bestimmte Plattform im Internet angesehen werden kann, dann ist das Streaming keine rechtmäßige Nutzung – also hilft diese Ausnahme nicht weiter.
Eine weitere Ausnahme von der vorherigen Einholung der Einwilligung besteht dann, wenn eine Kopie zu privaten Zwecken angefertigt wird. Kopiert werden darf der Film für den privaten Gebrauch, wenn die Vorlage hierfür nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Ob die auf „RedTube“ zu sehenden Filme dort rechtswidrig eingestellt wurden, ist meiner Meinung nach für den Nutzer nicht nachvollziehbar. Schon aus diesem Grund sind die Abmahnungen meines Erachtens nach unbrechtigt, da eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliegt. Über diesen Punkt lässt sich aber noch streiten.
Wurden die Daten der Abgemahnten rechtmäßig erlangt?
Die Abmahungen leiden aber unter einem weiteren Mangel: Die IP-Adresse von Nutzern, über deren Internetanschluss angeblich eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, dürfen nur nach gerichtlichem Beschluss unter bestimmten Voraussetzungen herausgegeben werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung handelt. Die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ist aber hier gerade nicht gegeben.
Aus dem mittlerweile veröffentlichten Beschluss des LG Köln, welches dem Auskunftsanspruch stattgegeben hatte, geht hervor, dass die Richter davon ausgingen, dass es sich um eine Auskunft hinsichtlich der Nutzung einer Tauschbörse handelte. Die Tauschbörsennutzung ist aber rechtlich gänzlich anders zu beurteilen als das Anschauen eines Films per Streaming. Der entsprechende Beschluss des LG Köln leidet somit an einem gravierenden Mangel – offensichtlich hatten die Richter sich mit dem konkreten Antrag nicht wirklich auseinandergesetzt.
Unwirksamkeit der Abmahnung?
Aber selbst wenn die Auskunft rechtmäßig erfolgt wäre, so gibt es noch einen gravierenden Punkt, der zur Unwirksamkeit der Abmahnungen beiträgt. Gem. § 97a Abs. 2 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz ist eine Abmahnung unwirksam, die eine Unterlassungserklärung fordert, welche über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Die den Abmahnungen beigefügte Unterlassungserklärung bezieht sich auf jegliches Streaming des abgemahnten Films im Internet. Selbst wenn das Streaming über die Plattform RedTube nicht zulässig sein sollte, so ist jedoch denkbar, dass der Film auf einer anderen Plattform rechtmäßig angesehen werden darf – etwa weil er dort vom Rechteinhaber selber eingestellt wurde. Die Unterlassungserklärung verlangt daher etwas, was über die abgemahnte Handlung hinaus geht – wenn überhaupt dürfte sich die geforderte Unterlassungserklärung nur auf ein Streaming über die Plattform RedTube beziehen.
Dieser Umstand führt sogar dazu, dass die Anwaltskosten, die zur Verteidigung gegen die Abmahnung aufgewendet wurden, von den Abmahnern zurück gefordert werden können.
Fazit
Insgesamt sehe ich die Abmahnungen eher als Eigentor der Abmahner. Aus Angst werden viele Betroffene gezahlt haben – insofern hat sich die Abmahnwelle sicherlich gerechnet. Außerdem wurde ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Internetnutzer geschaffen – die Betroffenen werden sicherlich nur noch mit Sorge die verschiedenen Angebote des Internets nutzen.